Sendung 691 vom 18.09.2025
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Über die Seite Globalbridge sind wir auf einen Artikel aus dem US-Portal truthout.org gestoßen, das wir Ihnen heute in der deutschen Übersetzung präsentieren. Er stammt von Shahad Ali einer Studentin der englischen Literatur und Schriftstellerin aus Gaza:
Während die israelische Armee die erste Phase ihrer jüngsten Militäroperation in Gaza-Stadt startet – mit dem Ziel, das Gebiet vollständig zu besetzen und seine rund 1 Million Einwohner in den Süden zu vertreiben –, ist die Stadt in eine endlose Hölle gestürzt. Nacht für Nacht rauben uns unerbittliche und schreckliche Explosionen den Schlaf. Ganze Stadtteile werden überfallen und zerstört, wodurch Familien gezwungen sind, in ein ungewisses Schicksal zu fliehen, während blutige Massaker zu einem grausamen Teil des Alltags geworden sind.
Für einen Moment erinnern diese grausamen Szenen an die ersten Monate des Krieges, als israelische Streitkräfte die Einwohner der Stadt zum ersten Mal unter Androhung einer Bodeninvasion zur Flucht nach Süden zwangen. Der Himmel sah damals genauso aus wie heute – grau und dicht mit waberndem Rauch, der eine unmittelbare Gefahr signalisierte. Die Gesichter der Menschen spiegelten dieselbe unerträgliche Angst und Furcht wider, nur daß die Sorge jetzt noch größer ist: Wir befürchten, daß wir diesmal gezwungen sein könnten, Gaza-Stadt für immer zu verlassen, ohne jemals zurückkehren zu dürfen.
Die israelischen Streitkräfte begannen ihre Operation mit einer Intensivierung des militärischen Drucks entlang mehrerer Achsen im Norden, Osten und Süden der Stadt, darunter Stadtteile wie Al-Zaitoun, Tel al-Hawa, Al-Sabra und Sheikh Radwan, mit dem offensichtlichen Ziel, die Stadt vollständig zu umzingeln und ihre Bewohner auf ein bestimmtes Gebiet zu beschränken, um sie zur Flucht nach Süden zu zwingen.
Diese Stadtteile wurden schweren Artillerie- und Luftangriffen ausgesetzt, ganze Wohnblocks wurden durch israelische Roboter mit Tonnen von Sprengstoff zerstört, und es kam zu intensiven Schußwechseln durch israelische Panzer und Drohnen. Dies hat zu einer großen Fluchtwelle der Bewohner in den zentralen und westlichen Teilen der Stadt geführt, die bereits überfüllt sind und vom israelischen Militär weiterhin als gefährliche Kriegsgebiete eingestuft werden. Die Gefahr einer Invasion droht jeden Moment.
Die Zwangsumsiedlung hat das Leid der Palästinenser in Gaza, die nach 23 Monaten andauernden Völkermords bereits psychisch, physisch, emotional und finanziell erschöpft sind, noch weiter verschärft. Die meisten Familien in Gaza-Stadt waren mehr als 15 Monate lang in den Süden vertrieben worden und konnten erst während der Waffenruhe im Januar 2025 zurückkehren. Sie haben nicht vergessen, wie es war, in Zelten ohne Grundversorgung zu leben. Sie erinnern sich noch lebhaft daran, wie sie in Gebieten, die Israel als sicher bezeichnete, vertrieben, bombardiert und ausgehungert wurden. Darüber hinaus bleibt ihre Sehnsucht nach ihren Häusern und Nachbarschaften unerfüllt.
Viele dieser Familien versuchten, Widerstand zu leisten, indem sie in ihren Häusern blieben, aber diesmal ließen ihnen die israelischen Streitkräfte keine Wahl: entweder getötet werden oder gehen – obwohl das Gehen fast so schrecklich ist wie der Tod. In der vergangenen Woche sind viele unter schwerem Beschuß evakuiert worden, und da sie sich nur auf das nackte Überleben konzentrierten, konnten sie nicht einmal die grundlegendsten Dinge wie Lebensmittel, Kleidung und Matratzen mitnehmen. Später waren sie gezwungen, diese Dinge zu überhöhten Preisen auf dem informellen Markt wieder zu kaufen. Diejenigen, die das „Glück“ hatten, ein paar Habseligkeiten aus ihren Häusern retten zu können, mußten hohe Transportkosten zahlen – bis zu 150 Dollar für einen Eselskarren und 250 Dollar für ein Fahrzeug.
Zu diesem Leid kommt noch der erschöpfende Kampf mit der Obdachlosigkeit hinzu. Die meisten Familien in Gaza-Stadt waren gezwungen, sich ins Ungewisse zu wagen, viele landeten auf der Straße und wußten nicht, wohin sie gehen sollten. Ein einziges Zelt kostet derzeit 1.000 Dollar – ein Betrag, der für die meisten Familien unerschwinglich ist, da der Krieg ihre Lebensgrundlage zerstört und die Armut auf ein unerträgliches Niveau getrieben hat. Selbst wenn ein Zelt gesichert ist, ist es eine weitere Herausforderung, einen Platz zum Aufstellen zu finden, da der zentrale und westliche Teil von Gaza-Stadt bereits mit Zelten von vertriebenen Familien aus den nördlichen Provinzen Gazas sowie aus den östlichen Stadtteilen von Gaza-Stadt überfüllt ist, nachdem im Mai 2025 die israelische Militäroperation Gideon’s Chariots gestartet wurde.
Einige Familien flohen aufgrund der Drohungen der israelischen Armee und ihrer Versprechungen von verfügbaren Unterkünften, Zelten und Hilfsgütern direkt in den Süden, wo sie jedoch eine noch schlimmere Situation vorfanden. Die israelischen Streitkräfte haben nun zwei der größten Städte im Süden – Khan Yunis und Rafah – eingenommen, während die Menschen dort in der Zentralprovinz und in al-Mawasi in der Nähe von Khan Yunis zusammengepfercht sind und nicht genügend Platz für die Aufstellung von Zelten für die Vertriebenen aus Gaza-Stadt vorhanden ist.
Der 19-jährige Abed Abo Laban sagte, er und seine Familie hätten sich trotz der Gefahr zunächst geweigert, ihr Haus in Al-Zaitoun zu verlassen. „Der Artilleriebeschuß war heftig, und Splitter verstreuten sich über unser Dach. Quadcopter feuerten wahllos und brannten sogar benachbarte Zelte nieder, aber wir blieben, weil wir nirgendwo anders hingehen konnten“, sagte er.
Abo Laban berichtete, daß sie erst flohen, nachdem eine israelische Drohne ihr Haus angegriffen und seinen Bruder und seinen Vater getötet hatte. „Uns wurde klar, daß wir alle wie sie getötet worden wären, wenn wir nicht geflohen wären“, sagte er.
Abo Laban und seine Familie flohen nach Süden nach Al-Mawasi in Khan Yunis, fanden dort jedoch keinen Platz, um ihr Zelt aufzustellen. „Die Israelis behaupten, dass es im Süden Platz gibt, aber das ist die größte Lüge, die ich je gehört habe. Es gab absolut keinen Platz; wir saßen einfach hilflos und erschöpft auf dem Sand des Al-Mawasi-Strandes und hatten keinen Platz, um unser Zelt aufzustellen“, sagte er. „Das Gebiet war überfüllt, die Zelte standen dicht nebeneinander. Es gab keine Privatsphäre, kein sauberes Wasser, kein Abwassersystem, und es wimmelte von Insekten und Fliegen.“
Mohamed Alkateeb, 46, der im Herzen von Gaza-Stadt lebt, sagte, er habe begonnen, seine Habseligkeiten zu packen, um jederzeit auf einen Evakuierungsbefehl vorbereitet zu sein. „Der Gedanke, mein Zuhause zu verlassen, aus Angst, vielleicht nie wieder zurückkehren zu können, und mich ins Unbekannte zu wagen – ohne einen Ort, an den ich gehen kann, ohne Zelt und mit dem nahenden Winter – ist unerträglich. Wenn es nach mir ginge, würde ich bleiben; ich würde den Tod der Vertreibung vorziehen, die sich wie ein langsamer Tod anfühlt. Aber wenn man Kinder hat, ändert sich alles. Ich bin jetzt gezwungen zu gehen, um sie so gut wie möglich zu schützen“, sagte er.
Die israelische Armee treibt ihren Plan voran, und es scheint, als könne nichts sie davon abhalten, Gaza-Stadt auszulöschen, seine Bevölkerung zu massakrieren und uns zu vertreiben. Jetzt will Israel uns nach Süden drängen, aber niemand weiß, wo das nächste Ziel sein wird. Wir haben die Welt auf jede erdenkliche Weise angefleht – zu intervenieren, uns zu schützen, unser Recht auf ein Leben in Würde anzuerkennen –, aber es scheint, als seien alle unsere Bemühungen gescheitert. Wir sind hilflos und verzweifelt und warten auf das nächste Kapitel der Qualen und Leiden im Exil, dessen Ende nicht abzusehen ist.
Damit endet der Artikel, dem nichts mehr hinzugefügt werden muß.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.
Quelle:
https://truthout.org/articles/the-world-has-failed-to-stop-israel-our-only-choices-now-leave-or-die/