Sendung 342 vom 05.02.2015
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Ein neues Gespenst geht um, in Europa. Griechenland, die Wiege der Demokratie hat gewählt. Eine linke Partei wurde gewählt und damit gleichzeitig das Deutsch-Troika Diktat abgewählt. Und die Europäische Union klagt und weint. Allen voran Martin Schulz, der (alle diplomatischen Gepflogenheiten außer Acht lassend) in der Art eines Herrschers des Großdeutschen Reiches, gegen Griechenland und die neue griechische Regierung in der Gegend herum poltert.
EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) schäumte am Wochenende vor Wut und bezeichnete den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras als „frech und unverschämt“ – einzig weil dieser, anders als hiesige Politiker, seine Wahlversprechen ernst nimmt.
Herr Schulz und auch der in Deutschland gescheiterte Günther Oettinger sollten sich einmal folgendes bewusst machen: Die Wehrmacht überfiel Jugoslawien und Griechenland am 6. April 1941 ohne vorherige Provokation. Deutsche Soldaten errichteten ein brutales Besatzungsregime. Wie meist im deutsch beherrschten Europa musste das besetzte Land die Kosten der Besetzung tragen; 1942 betrug die verlangte Summe 2,5 Milliarden Reichsmark. Außerdem wurde die griechische Wirtschaft durch Zwangsexporte ausgeplündert, wofür eigens eine „Deutsch-Griechische Warenausgleichsgesellschaft“ gegründet wurde. In dieser Zeit hat die deutsche Wehrmacht allein in Griechenland tausende Zivilisten erschossen. Das ganze Land litt unter dem aus dem deutschen Boden ausgegangenen Faschismus.
Diese Parallelen zur gegenwärtigen Situation, die durch deutsch/neoliberales Spardiktat entstanden ist, sollten auch durch einen Martin Schulz nicht außer Acht gelassen worden sein. Allein aus historischen Gründen hat kein deutscher Politiker das recht in einer Art aufzutreten, die mit unflätig wohl noch sehr höflich umschrieben ist. Herr Schulz, Frau Merkel und die vielen anderen Politiker Europas sollten sich einm0al ganz schnell auf die Umgangsformen des „diplomatischen Parketts“ zurückbegeben und das Wilhelminische „auf den Tisch hauen“ in den Schubladen der Geschichte verschwinden lassen.
Das Spardiktat der Troika hilft keinem einzigen Griechen. Im Gegenteil, es schadet ihnen nur auf massivste Art. Profitieren tun nur die Europäischen Großbanken, allen voran die Deutsche Bank, die dadurch noch reicher werden. Die sogenannte „Rettung Griechenlands“ durch die Troika ist nichts anderes als ein riesiges Umverteilungspaket weg von der Griechischen Bevölkerung, hin zu einigen wenigen Reichen in Europa.
Die neue Griechische Regierung hat eine Reihe innovativer Gedanken und Erneuerungen vorgestellt, wie unter anderem Stop der befohlenen Privatisierungsvorhaben (und damit dem Ausverkauf des Tafelsilbers das andere so gerne hätten) und arbeitet an weiteren.
Wieso ist man nicht gewillt diese Innovationen als solche zu sehen? Wovor hat man Angst? Vielleicht davor, dass sich heraus stellt, dass die ach so alternativlosen Wege, die angeblich zur Gesundung von Staaten wie Griechenland beschritten werden müssen, sehr wohl eine Alternative haben, und, dass sehr wohl ein anderer – humanerer – Weg doch möglich ist? Das wäre natürlich, zugegeben, für die Interessenträger eines längst überholten Hierarchiesystems schlimm, wenn nicht tödlich!
Wieso dürfen konservative, liberale und neoliberale alles Zerstören und ganze Völker in Armut, Chaos und Verzweiflung stürzen, ohne dass dies irgendein Problem darstellt? Wieso wird dies am Ende noch als Notwendigkeit und Fortschritt verkauft? Und warum ist es dann auf der anderen Seite eine völlige Katastrophe, wenn eine Partei wie Syriza oder irgendeine andere auch nur an die Macht kommt? Die Problematik wird sichtbarer, wenn man bedenkt, Syriza wurde wohl vom Griechischen Volk und auf Basis demokratischer Wahlergebnisse gewählt!
Sobald von irgendwo, auf demokratische Weise, ein sozialistischer (oder gar kommunistischer) Touch am fernen Horizont erscheint, wird sofort, von allen Seiten, verbal diskreditiert, bedroht und tätlich sabotiert. Und zwar auf das aller Schärfste! Wo bitteschön ist da die Logik dieses angeblich weltoffenen Umgangs mit Innovationen und jener Eingeschränktheit?
Sind die Vertreter neoliberalen Gedankengutes und deren Politikerkaste oft gerne einmal experimentierfreudig und -lustig, so bekommt dagegen dieses Experiment keine Chance, im Gegenteil, es wird brutal bekämpft.
Die herrschende reiche Klasse (egal ob Oligarchen, Konzerne oder Staaten) schließen Verträge ab; über die Köpfe der Menschen hinweg, die es betrifft. Die ansonsten ach so heilige Demokratie mit Füßen tretend, es im Falle von TTIP momentan am Geschehen ist, ist die Bevölkerung die es betrifft eine Nebensache, die dann meist auch noch stört. Auch in Griechenland sind es nicht die Griechen die Verträge abgeschlossen haben. Die gehen Arbeiten, so lange sie noch eine haben, oder sitzen obdachlos und ohne ärztliche Versorgung auf der Straße. Dank der Fortschritte von Troika und EU.
Vielleicht sind es die europäischen Politiker vom Schlage Merkel, Schulz, Oettinger oder Steinmeier, die eigentlich Maß halten sollten. Dies wäre angebracht! Die Gewerkschaften haben zu dem Thema einen Aufruf veröffentlicht, den wir hier unbedingt noch zitieren möchten:
Griechenland nach der Wahl − Keine Gefahr, sondern eine Chance für Europa
Der politische Erdrutsch in Griechenland ist eine Chance nicht nur für dieses krisengeschüttelte Land, sondern auch dafür, die Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU grundsätzlich zu überdenken und zu korrigieren.
Wir unterstreichen erneut die vonseiten der Gewerkschaften in den zurückliegenden Jahren vielfach geäußerte Kritik: Die entscheidenden Bedingungen, unter denen die finanziellen Hilfen für Griechenland gewährt werden, hatten von Anfang an nicht die Bezeichnung »Reform« verdient. Die Milliarden, die nach Griechenland geflossen sind, wurden vor allem für die Stabilisierung des Finanzsektors verwendet. Gleichzeitig wurde das Land mit einer brutalen Kürzungspolitik in die tiefste Rezession und damit zugleich in die höchste Staatsverschuldung der gesamten EU getrieben. Die Folge ist eine soziale und humanitäre Krise ohne Beispiel in Europa: Ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut, soziale Absicherungen wurden massiv geschwächt, der Mindestlohn um 22% gesenkt, das Tarifvertragssystem und andere Schutzrechte für noch Beschäftigte demontiert, und ausgerechnet die unteren Einkommensgruppen wurden zusätzlich steuerlich belastet. Die Arbeitslosigkeit liegt jetzt bei 27%, unter Jugendlichen sogar bei über 50%. Vielen Menschen fehlen ausreichende Mittel für Nahrung, Strom, Heizung und Wohnung. Ein großer Teil der Bevölkerung hat keine Krankenversicherung mehr und bekommt nur noch in Notfällen Zugang zu ärztlicher Versorgung. Das Wahlergebnis ist ein vernichtendes Urteil über diese verfehlte Politik.
Mit Reformen, die an den tatsächlichen Problemen Griechenlands ansetzen, hatte all dies nichts zu tun. Keines der strukturellen Probleme des Landes wurde gelöst, es wurden aber zusätzliche geschaffen. Es war eine Politik des Abbaus, nicht des Aufbaus. Wirkliche Strukturreformen, die diesen Namen verdienen, bahnen Wege zu neuen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten des Landes, anstatt eine hoch qualifizierte junge Generation ins Ausland zu vertreiben. Wirkliche Strukturreformen machen ernst mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht. Wirkliche Strukturreformen bekämpfen Klientelpolitik und Korruption bei öffentlichen Aufträgen. Die neue griechische Regierung ist herausgefordert, ihre eigenen Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte vorzulegen, die Teil eines »Europäischen Investitionsplanes« werden müssen, wie er Langem von den Gewerkschaften gefordert wird, und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass derartige Projekte Früchte tragen können.
Mit der neuen griechischen Regierung muss ernsthaft und ohne Erpressungsversuche verhandelt werden, um dem Land eine wirtschaftliche und soziale Perspektive jenseits der gescheiterten Austeritätspolitik zu eröffnen. Dies gilt insbesondere für die mit der bisherigen, jetzt abgewählten Regierung vereinbarten zerstörerischen Auflagen, unter denen die internationalen Kredite bislang gewährt wurden. Europa darf nicht auf der Fortsetzung einer Politik zulasten der Bevölkerung beharren, die von der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler unmissverständlich abgelehnt wird. Ein »Weiter so« darf es nicht geben!
Die Abwahl der für die bisherige Politik in Griechenland Verantwortlichen ist eine demokratische Entscheidung, die auf europäischer Ebene respektiert werden muss. Die neue Regierung braucht eine faire Chance. Wer jetzt die Fortsetzung des bisherigen, so genannten Reformkurses verlangt, spricht faktisch der griechischen Bevölkerung das Recht auf eine demokratisch legitimierte Neuorientierung der Politik in ihrem Land ab. Und wenn hinzugefügt wird, eine solche Neuorientierung sei allenfalls möglich, wenn Griechenland aus der Europäischen Währungsunion ausscheide, werden die europäischen Institutionen für unvereinbar mit demokratischen Entscheidungen in den Mitgliedsländern erklärt. So erhalten die erstarkenden nationalistischen Strömungen in Europa zusätzlichen Rückenwind.
Die vielfach beklagten, doch immer noch nicht überwundenen demokratischen Legitimationsdefizite auf europäischer Ebene dürfen nicht zusätzlich durch die Einschränkung der Demokratie in den Mitgliedsländern zementiert werden. Vielmehr muss, wie viele von uns 2012 in dem Aufruf »Europa neu begründen« hervorgehoben haben, die Demokratie auf EU-Ebene gestärkt werden, wenn dem europäischen Projekt neue Glaubwürdigkeit gegeben werden soll. Das europäische Projekt wird nicht durch Spardiktate gestärkt, sondern nur durch die demokratische Initiative von unten für wirtschaftlichen Wiederaufbau und mehr soziale Gerechtigkeit.
Diese Initiative muss jetzt im Interesse der Menschen in Griechenland unterstützt werden. Sie gibt zugleich neue Anstöße für einen politischen Kurswechsel in Europa. Der politische Umbruch in Griechenland muss zu einer Chance für ein demokratisches und soziales Europa gemacht werden!
Wir sehen uns nächste Woche wieder.